Zur Syrien-Politik der Linkspartei ein Artikel, den Bernd Duschner für die NRHZ geschrieben hat.
Appell gegen Feigheit und Opportunismus
Von Bernd Duschner
Völkerrecht war gestern. Heute sehen sich die Herrschenden unseres Landes wieder als Führungsmacht. Ohne jegliche Hemmungen nützen sie die mit der Wiedervereinigung deutlich gewachsene Stärke Deutschlands, um ihre Interessen weltweit auch mit militärischen Mitteln und wirtschaftlicher Erpressung durchzusetzen.
Wer in Kriegszeiten die Zustimmung der Herrschenden zumindest für einen Eckplatz an den Regierungsbänken haben möchte, muss deren „rote Linien“ respektieren und sich als nützlicher Handlanger beweisen. Partei- und Fraktionsspitze der Linkspartei haben diese „roten Linien“ längst verinnerlicht. Beim Krieg zur Zerstörung des syrischen Staates haben sie bis heute ganz entscheidend mitgeholfen, eine Solidaritätsbewegung für das syrische Volk zu verhindern.
Die Bundesrepublik im Krieg gegen Syrien
Seit 2011 führen die USA mit ihren „Verbündeten“ einen Krieg zur Zerstörung Syriens. Türkei, Saudi-Arabien und Katar übernahmen als ersten Schritt die Aufgabe, terroristische Gruppen zu finanzieren, zu bewaffnen und nach Syrien einzuschleusen. Bundesregierung und EU konzentrierten sich als zentrale Handelspartner Syriens auf die Aufgabe, durch umfassende Wirtschafts- und Finanzsanktionen die Wirtschaft des Entwicklungslandes lahmzulegen und seine Bevölkerung in Massenarbeitslosigkeit und Elend zu treiben. Auf diesem Weg soll der Widerstandswille der Syrer gebrochen und gleichzeitig der benötigte Nährboden für die Rekrutierung terroristischer Gruppen für den gewaltsamen Sturz der Regierung Assad geschaffen werden. Dazu wurden und sind bis heute
– die Auslandsguthaben Syriens und seiner Firmen „eingefroren“;
– der Import seiner wichtigsten Devisenbringer, insbesondere von Rohöl, in die EU verboten; Syrer, die in der EU leben, können keine Überweisungen mehr an ihre Verwandten im Heimatland tätigen. Syrien soll an keine Devisen kommen, im Ausland weder Rohmaterialien noch Ersatzteile einkaufen können;
– Exporte nach Syrien, insbesondere von Treibstoff, Heizöl sowie von Technologie und Ausrüstung zur Förderung und Raffination von Erdöl und für Kraftwerke zur Stromgewinnung sind untersagt.
Ohne Treibstoff und Strom, so das infame Kalkül, müssen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, Handwerk und Industrie zum Erliegen kommen. Um die Wirkung der Sanktionen zu verschärfen, haben die terroristischen Gruppen einen Schwerpunkt ihrer Anschläge und Angriffen auf die Kraftwerke, die wenigen Erdölraffinerien, Treibstofflager, Stromnetz und Wasserversorgung gelegt.
Klassenbester sein wollen beim „Regime-Change“
Die Sanktionen entlarven die Lügen der Bundesregierung, ihre Politik sei von der Sorge um mehr Demokratie und Wohlstand für die syrische Bevölkerung bestimmt. Sie zeigen, dass die Bundesregierung mit ihren „Bündnispartnern“ Krieg gegen das syrische Volk führt. Die Sanktionen sind das entscheidende Instrument, mit dem die Bundesregierung versucht, einen „Regime-Wechsel“ in Syrien zu erzwingen.
Wer eine breite Solidaritäts- und Friedensbewegung an der Seite des syrischen Volkes in Deutschland aufbauen will, muss deshalb die Sanktionen in den Mittelpunkt rücken und unserer Bevölkerung zeigen, wie sie für den Frieden in Syrien konkret tätig werden kann: indem sie die Aufhebung der Sanktionen durchsetzt.
Wer hingegen Hilfe und Solidarität für das syrischen Volkes verhindern und die Bundesregierung aus der Schusslinie nehmen will, muss zu den Sanktionen schweigen.
Genau das tut die Führung der Linkspartei, seit die Bundesregierung 2011 auf EU-Ebene die Sanktionen gegen Syrien durchgesetzt hat. Sie war deshalb nicht erfreut, als im Januar 2012 der Aufruf „Kriegsvorbereitungen stoppen! Embargo beenden!“ erschien.
Klar und präzise nennt der kurze Aufruf die Zielsetzung, die mit den Sanktionen verfolgt wird: „Die inneren sozialen und ethnischen Konflikte sollen zugespitzt, ein Bürgerkrieg entfacht werden, um einen Vorwand für die längst geplante militärische Intervention zu schaffen.“ Heute nach weit mehr als 250.000 Toten, Millionen Verletzten und Flüchtlingen und einem weitgehend zerstörten Land ist für jeden die Richtigkeit dieser Analyse sichtbar. Weit über 3000 Bürger, darunter sechs Abgeordnete der Linksfraktion, hatten damals den Aufruf und seine Forderung unterschrieben, die Sanktionen gegen Syrien unverzüglich und bedingungslos aufzuheben. Die Führung der Linkspartei hätte den Aufruf als Startschuss für den Aufbau einer breiten Friedensbewegung an der Seite des syrischen Volkes nehmen können. Sie hätte den Kriegstreibern entgegentreten können. Genau das aber wollte sie nicht.
Die Leitmedien gingen damals auf den Inhalt des Aufrufs nicht ein. Sie logen ihn stattdessen um in eine Erklärung der „Solidarität mit dem Schlächter Assad“. Die Führung der Linkspartei wollte ihn mit Schweigen übergehen. Es waren die Fraktionen der CDU/CSU und FDP, auf deren Antrag am 19. Januar 2012 im Bundestag eine aktuelle Stunde über den Aufruf anberaumt wurde.
Erst wenige Monate waren seit der Zerstörung Libyens, der Tötung Zehntausender seiner Bürger und der bestialischen Ermordung Gaddafis durch Nato-Bomben und ihre Al-Kaida Hilfstruppen vergangen. Ungeachtet dessen nahm die Führung der Linkspartei diese aktuelle Stunde zum Anlass, sich auch in Syrien hinter die Politik des „Regime-Wechsels“ der Herrschenden zu stellen.
Klassenbeste wollte die Führung der Linkspartei sein und so erklärte ihr Sprecher Ulrich Maurer mit stolz geschwellter Brust im Bundestag an die Union gewandt:
„Wenn jemand seit Jahren an der Seite des syrischen Widerstandes gegen Assad steht, dann sind es die Linken in Deutschland. … Bei einem Treffen des syrischen Widerstandes vor wenigen Wochen waren mein Kollege Wolfgang Gehrcke und ein Beobachter der SPD anwesend. Von ihnen wurde niemand gesehen. An der Erklärung des syrischen Widerstandes hat unser außenpolitischer Sprecher als Autor maßgeblich mitgearbeitet.“
Maurer wies darauf hin, dass seine Fraktion bereits im Mai 2011 im Bundestag den Antrag „Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern nach Syrien endgültig stoppen“, gestellt hatte. Die treuherzige Sorge der Linksfraktion, deutsche Waffenlieferungen könnten den „Regime-Wechsel“ und eine militärische Intervention in Syrien erschweren, wurde von den Herrschenden sicher mit Schmunzeln aufgenommen. 2012 stellte allein der Golf-Kooperationsrat, Bündnispartner der Bundesregierung, der „Freien Syrischen Armee“ 100 Mio. Dollar für ihren Kampf gegen die syrische Regierung zur Verfügung. Tausende Jihadisten strömten ins Land.
In dieser Situation, in der Syrien bereits um sein Überleben kämpfte, rief im Dezember 2012 eine „Allparteienkoalition“ von der „Linkspartei“-Vorsitzenden Katja Kipping über die bekannten „Pazifisten“ Claudia Roth (Grüne), Andrea Nahles (SPD) und Ruprecht Polenz (CDU) zur Unterstützung des „zivilen Widerstandes in Syrien“ auf. Das Land soll komplett gelähmt werden. „Adopt a revolution“, natürlich nicht in Deutschland, sondern in Syrien.
Eine Solidaritätsbewegung verhindern
Syrien ist ein säkularer Staat. In der arabischen Welt nahm er hinsichtlich seines Bildungswesens, seines Gesundheitswesen, der Versorgung der Bevölkerung mit preiswerten Grundnahrungsmitteln und der Förderung der Frauen einen Spitzenplatz ein. Gleichberechtigt lebten Volksgruppen unterschiedlicher religiöser und ethnischer Herkunft friedlich zusammen.
Niemand eignet sich besser, eine solche Nation aufzubrechen und ihre Volksgruppen in die verschiedene Landesteile auseinanderzutreiben als fanatisierte, islamistische Terrorgruppen. Gerade deshalb haben die USA und ihre Bündnispartner Al Nusra und ISIS aufgebaut, ausgerüstet und finanziert. Der Führung der Linkspartei ist sehr wohl bewusst, dass Ideologie und Gräueltaten dieser Terrorgruppen zu einer Solidarisierung ihrer Mitglieder und Wähler mit der syrischen Regierung führen könnten.
Wer das verhindern will, muss die syrische Regierung, die die Souveränität und Einheit ihres Landes verteidigt, verleumden und mit den Mörderbanden im Solde von CIA und saudischer Regierung auf eine Stufe stellen. Das versteht Sara Wagenknecht. In ihrem Interview vom 11.2.2016 mit Christine Heuer räumt sie zwar ein, „ die Al-Nusra-Front, das sind richtige islamistische Terrorgruppen, die dort agieren,“ fügt aber gleich unmittelbar hinzu, „die auch sicherlich für die Bevölkerung mindestens so verheerend sind wie das Assad-Regime. Da kämpft nicht Gut gegen Böse.“
Aggressor und Angegriffener, dieser Unterschied muss verwischt werden. Bundesregierung und Nato wissen, was sie der „Linken“ Wagenknecht verdanken.
5 Jahre Däumchen drehen und Zuschauen beim Aushungern des syrischen Volkes
Seit Verhängung der Sanktionen sind mehr als fünf Jahre vergangen. Sie haben das Land in tiefste Armut, Krieg und Selbstzerfleischung getrieben. Bereits Ende 2015, berichtet das Syrian Center for Policy Research, leben 69% der Syrer in extremer Armut. Die Hälfte von ihnen kann sich selbst die notwendigen Grundnahrungsmittel nicht mehr kaufen. Die Arbeitslosigkeit hat 53% erreicht. 45% der Syrer mussten ihre Wohnungen aufgeben, 6,4 Millionen sind Binnenflüchtlinge, 3,1 Millionen Syrer haben das Land verlassen. Die Lebenserwartung ist in Syrien von 70,5 Jahren (2010) auf dramatische 55,4 Jahre abgestürzt.
In ihrer Verzweiflung haben sich deshalb im Frühjahr 2016 Bischöfe und führende Vertreter der christlichen Kirchen Syriens an die Öffentlichkeit gewandt. In ihrem Appell schreiben sie:
„In diesen 5 Jahren haben die Sanktionen gegen Syrien dazu beigetragen, die syrische Gesellschaft zu zerstören: Sie liefern sie dem Hunger, Epidemien und Elend aus und arbeiten somit den Milizen von Integralisten und Terroristen, die heute auch in Europa zuschlagen, in die Hand. Die Sanktionen vergrößern die Schäden durch den Krieg, der bereits zu 250.000 Toten, 6 Millionen intern Vertriebenen und 4 Millionen Flüchtlingen geführt hat. Die Situation in Syrien ist verzweifelt: Es fehlt an Lebensmitteln, es herrscht eine allgemeine Arbeitslosigkeit, medizinische Behandlungen sind unmöglich geworden, Trinkwasser und Strom sind rationiert. Dazu kommt, dass das Embargo die Syrer, die sich bereits vor dem Krieg im Ausland niedergelassen haben, daran hindert, ihren Verwandten und Familienangehörigen im Heimatland Geld zu überweisen. Selbst Nichtregierungsorganisationen, die Hilfsprogramme durchführen möchten, können ihren Mitarbeitern in Syrien kein Geld schicken. Firmen, Stromwerke, Wasserwerke, und Krankenhäuser sind gezwungen, zu schließen, weil sie keine Ersatzteile und kein Benzin bekommen können.“
Die Führung der Linkspartei lässt das Schicksal der syrischen Bevölkerung kalt. Die Herrschenden wollen nicht, dass über die Sanktionen gesprochen wird, und daran halten sich die Kipping, Riexinger, Bartsch und Wagenknecht. Bei ihren Erklärungen und Reden wie zuletzt der von Wagenknecht auf der Kundgebung der Friedensbewegung am 8.10.2016 in Berlin und erst recht im Bundestag fällt kein Wort über die Sanktionen.
Seit über fünf Jahren sehen sie der Verelendung der syrischen Bevölkerung zu. Sie drehen Däumchen und weigern sich beharrlich einen Antrag auf Aufhebung der Sanktionen im Bundestag einzubringen. Mehr als 3500 Bürger haben 2015 den Aufruf an die Bundesregierung „Beenden Sie das Aushungern des syrischen Volkes! Schluss mit dem Embargo, damit Syrien Frieden bekommt« unterschrieben. Wir haben ihn auch führenden Abgeordneten der „Linkspartei“ zugeleitet mit der Bitte, sich im Bundestag dafür einzusetzen. Tätig sind sie bis heute nicht geworden.
Was also tun?
„Italienisches Krankenhaus“ in Damaskus (Foto: Karin Leukefeld)
Unser Verein „Freundschaft mit Valjevo“ hat direkten Kontakt mit dem „Italienischen Krankenhaus“ in Damaskus aufgenommen. Die Nonnen, die es leiten, sind verzweifelt: Medikamente, medizinische Geräte und notwendige Ersatzteile sind auf Grund der Sanktionen nicht zu bekommen. Strom gibt es nur jeweils für 3 Stunden.
Der Diesel zum Betrieb der Notstromaggregate ist für sie unerschwinglich teuer geworden. Wir haben der Leiterin, Schwester Anna Maria Scarzello, mittlerweile 23.000 EUR für medizinische Geräte und eine neue Wasserwiederaufbereitungsanlage für die Dialyse zukommen lassen.
Jetzt sammeln wir Geld, um ihr den Einkauf von Diesel für Heizung und Notstromaggregate zu ermöglichen. Dazu bitten wir um Spenden auf unser
Konto des Vereins „Freundschaft mit Valjevo“
Sparkasse Pfaffenhofen
IBAN DE06 7215 1650 0008 0119 91
Stichwort „Krankenhaus Damaskus“
Mit dieser Aktion setzen wir ein Zeichen der Verbundenheit mit der syrischen Bevölkerung. Wir verbinden diese humanitäre Hilfe in der Öffentlichkeit mit der Forderung nach Aufhebung der Sanktionen. Nicht wenige Bundestagsabgeordnete haben ihr Mandat erhalten, weil sie versprachen, sich für Frieden zu engagieren. Es ist unsere Pflicht, von ihnen Rechenschaft einzufordern. Wir müssen sie jetzt auf Veranstaltungen, bei jeder Begegnung, per Mail und Brief mit der Forderung konfrontieren, im Bundestag und Europaparlament den Antrag auf Aufhebung der Sanktionen zu stellen.
Schwester Anna Maria Scarzello, Leiterin des „Italienischen Krankenhauses“ in Damaskus – nach Empfang von Spendengeldern
Die Sanktionen müssen in Gewerkschaften, in Kirchen, in Parteien, auf allen Veranstaltungen der Friedensbewegung zum Thema gemacht werden.
Der Linksfraktion sollten wir klar sagen: „Wir brauchen keine Abgeordneten, die aus purer Feigheit und Opportunismus zum Aushungern des syrischen Volkes schweigen.“ Wir müssen jetzt genau darauf achten, ob sie endlich aktiv gegen die Sanktionen werden und daraus unsere Konsequenzen ziehen.
(Die Linkspartei und der Krieg zur Zerstörung Syriens)